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Plattformökonomie

Bessere Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit – die Plattform-Richtlinie der EU

Veröffentlicht am 27. Feb 2025

Im Jahr 2021 haben nach Angaben der Europäischen Kommission über 28 Millionen Personen in der EU über digitale Arbeitsplattformen gearbeitet und damit die vielfältigen, flexiblen und oftmals niedrigschwelligen Erwerbsmöglichkeiten genutzt. 

Bei den Plattformtätigen handelt es sich in vielen Fällen um echte Selbstständige. Die Kommission geht jedoch davon aus, dass bis zu 5,5 Millionen Personen, die zu diesem Zeitpunkt über digitale Arbeitsplattformen gearbeitet haben, dem Risiko einer falschen Einstufung ihres Status‘ ausgesetzt gewesen sein könnten. Die Scheinselbstständigkeit kann etwa zur Folge haben, dass Plattformtätige keinen Zugang zu ihnen zustehenden Arbeits- und Sozialschutzrechten haben.

In ihren Schätzungen geht die EU-Kommission davon aus, dass die Zahl der Plattformtätigen weiter steigen wird: Für das Jahr 2024 schätzt die Kommission die Zahl der Plattformtätigen auf ca. 40 Millionen (Quelle: Studie im Rahmen der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission, 2021).

Um eine nachhaltige Entwicklung von Plattformarbeit im Sinne der Unternehmen und der Beschäftigten zu ermöglichen, braucht es Forschung sowie klare Regeln.  

Die Kommission hat am 9. Dezember 2021 einen Entwurf für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vorgelegt. Nach intensiven Verhandlungen haben sich der Rat und das Europäische Parlament auf eine Richtlinie geeinigt, die am 1. Dezember 2024 in Kraft getreten ist.

Die drei zentralen Inhalte der Richtlinie 

Korrekte Statusbestimmung

Urlaub, Mutterschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Rente und viele weitere Rechte: Der Status – beschäftigt oder selbständig – ist die zentrale Weichenstellung dafür, ob und welche Arbeits- und Sozialschutzrechte einer erwerbstätigen Person zustehen. Für Plattformtätige gestaltet sich die Einschätzung ihres Status‘ häufig schwierig, da die Arbeitsorganisation (anders als in konventionellen Unternehmen) durch technische Systeme – das sog. algorithmische Management – erfolgt, das zumeist wenig transparent ist. Zudem verfügen Plattformtätige aufgrund des Dreiecksverhältnisses zwischen Auftraggeber, Plattform und Plattformtätigen vielfach nicht über die notwendigen Informationen zur Vertragsgestaltung. 

Die Richtlinie will sicherstellen, dass der Status von Plattformtätigen korrekt bestimmt wird. Auf diese Weise sollen diejenigen Plattformtätigen, die Arbeitnehmer sind, Zugang zu den für sie anwendbaren Arbeits- und Sozialschutzrechten erhalten. Mit der Richtlinie soll der Einstieg in die Prüfung des Erwerbsstatus‘ erleichtert werden: Sie verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, eine widerlegliche Vermutungsregelung für den Arbeitnehmerstatus von Plattformtätigen zu schaffen. Das heißt: Unter bestimmten Voraussetzungen wird vermutet, dass ein Plattformtätiger oder eine Plattformtätige beschäftigt (und nicht selbständig) ist. Strengt beispielsweise die Plattform die Widerlegung dieser Vermutung an, wird im weiteren Verfahren noch einmal ausführlich geprüft, welcher Status zutreffend ist. Die Beweislast, dass es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt, liegt dann bei der Plattform. Wie die Vermutungsregelung konkret ausgestaltet wird, ist weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen.

Algorithmisches Management

In der Plattformökonomie sind es in der Regel algorithmische Managementsysteme, die Plattformtätigen die Aufträge zuteilen, die Erbringung der Arbeitsleistung kontrollieren, Anreize setzen oder Verhalten sanktionieren. Die Richtlinie schafft erstmals für den Bereich der Plattformarbeit EU-weite Regelungen für algorithmische Managementsysteme in der Arbeitswelt. Während diese Systeme großes Potenzial für Produktivität haben, können sie auch Risiken wie Intransparenz oder unzulässige Überwachung bergen. Daher sieht die Richtlinie u. a. Informationspflichten vor und verpflichtet die Plattformen, algorithmisches Management zu überwachen und zu überprüfen. Konkret regelt die Richtlinie beispielsweise, dass Plattformtätige ihre Daten (z. B. Bewertungen) bei Plattformwechseln mitnehmen können, sowie ein menschliches Letztentscheidungsrecht bei weitreichenden Entscheidungen wie etwa der Schließung des Nutzerkontos.

Transparenz in Bezug auf Plattformarbeit

Schließlich schafft die Richtlinie Vorschriften zur Informationsbereitstellung in Bezug auf Plattformarbeit gegenüber nationalen Behörden und Vertretern von Plattformtätigen. Die Verpflichtungen sollen dem verbreiteten Informationsdefizit über die Plattformökonomie entgegenwirken. Dazu sollen Plattformen künftig etwa die Zahl und den Status ihrer Plattformtätigen offenlegen.

Die nächsten Schritte: Umsetzung in nationales Recht

Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie hat die zweijährige Umsetzungsphase für die EU-Mitgliedstaaten begonnen. Sie sind verpflichtet, die Vorgaben der Richtlinie in ihr nationales Recht umzusetzen.

Das BMAS hat bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie einen breit angelegten Stakeholder-Dialog, u. a. mit Plattformbetreibern und Vertretern der Plattformtätigen, durchgeführt. Auf diese Weise konnten die Perspektiven der Stakeholder und Hinweise für die Umsetzung der Richtlinie zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingeholt werden. Diese Hinweise aus der Praxis wird das BMAS bei der weiteren Arbeit, konkret der Erarbeitung eines Referentenentwurfs, einbeziehen. Ziel ist es dabei, die Vorgaben der Richtlinie möglichst rechtssicher und in der Praxis gut handhabbar in nationales Recht umzusetzen. So können einerseits die Rechte der Plattformtätigen gestärkt werden und es kann andererseits das nachhaltige Wachstum der Plattformökonomie gefördert werden.