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KI in der Verwaltung

Verwaltung modern und digital: BG BAU setzt eine neue KI-Anwendung zur Vermeidung von Arbeitsunfällen in der Bauwirtschaft ein

Veröffentlicht am 26. Jun 2024

Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz stärken, um Unfälle in der Baubranche zu vermeiden: Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) hat in einem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderten Leuchtturmprojekt zur Verwaltungsmodernisierung eine KI-Anwendung entwickelt, die bei der Unfallprävention unterstützt.

Eine KI-Anwendung für zielgerichtete Unfallprävention

Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben die Berufsgenossenschaften die Aufgabe, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu verhindern. Im Fall der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) ist diese Präventionsarbeit besonders wichtig, denn in der Baubranche sind die Unfallzahlen überdurchschnittlich hoch – und die Folgen leider häufig besonders gravierend. Eine neue KI-Anwendung trägt künftig dazu bei, die Unfallprävention zu stärken, die Sicherheit in der Baubranche zu verbessern und schweres menschliches Leid zu verhindern.

Rund 500 Beschäftigte sind bei der BG BAU als Aufsichtspersonen insbesondere für die Unfallprävention und die Beratung von Unternehmen zu den Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zuständig. Allerdings können sie von den rund 250.000 zu betreuenden Unternehmen nur etwa zehn Prozent, also 25.000 direkt kontaktieren. Eine besonders zeitintensive persönliche Beratung vor Ort ist sogar nur bei rund einem Prozent der Unternehmen möglich. Daher müssen die Kapazitäten der Aufsichtspersonen möglichst zielgerichtet eingesetzt werden. Hierfür hat die BG BAU in einem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderten Leuchtturmprojekt seit Februar 2023 eine KI-Anwendung entwickelt. Diese unterstützt die Aufsichtspersonen bei der Auswahl der Unternehmen, die am dringendsten beraten werden müssen.

Unterstützung durch KI verbessert Risikobewertung deutlich

Mit der Unterstützung durch die KI-Lösung können Aufsichtspersonen anhand statistischer Auswertungen einschätzen, bei welchen Unternehmen hoher Beratungsbedarf besteht. Die Trefferquote bei der Ermittlung dieser Betriebe ist durch den Einsatz der KI-Lösung deutlich gestiegen und hat sich auf 64 Prozent nahezu verdoppelt. Das heißt: Bei weit über der Hälfte der mit Hilfe der KI identifizierten und von den Aufsichtspersonen besuchten Unternehmen ist die Beratung zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz besonders wichtig, um insbesondere schwere oder tödliche Unfälle zu vermeiden.

Auch ein Blick auf die absoluten Zahlen zeigt, dass das Ziel des bestmöglichen Einsatzes der knappen Kapazitäten bei der BG BAU mit Einführung der KI-Anwendung erreicht wird: Die KI bewertet etwa 20.000 Unternehmen als besonders beratungsbedürftig in puncto Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Diese lassen sich mit den rund 25.000 möglichen Unternehmensgesprächen pro Jahr gut abdecken. Damit kann der KI-Einsatz dazu beitragen, die Unfallzahlen zu reduzieren, menschliches Leid zu verhindern und die Kosten für Rehabilitation und Entschädigung zu senken. Zudem wird die KI anhand des Feedbacks der Aufsichtspersonen aus dem Praxiseinsatz weiterentwickelt. Dadurch wird die Genauigkeit der Empfehlungen perspektivisch sogar noch weiter erhöht werden.

KI gibt Empfehlung, Fachpersonal trifft Entscheidung

Bislang nutzten die Aufsichtspersonen für die Präventionsarbeit Datentabellen, die sie anhand ihrer Erfahrungen manuell und stichpunktartig auf Hinweise für einen besonderen Beratungsbedarf von Unternehmen prüften. Auf Grund der hohen Rechenkapazitäten kann die neue KI-Lösung hingegen größere Datenmengen systematisch und sehr schnell analysieren, um Betriebe mit erhöhtem Unfallrisiko identifizieren. Dabei bewertet die KI das Risiko für jedes Unternehmen nach einem Ampelsystem (rot, gelb, grün) und stellt die entscheidungsrelevanten Faktoren übersichtlich dar. Für die Aufsichtspersonen ist dadurch jederzeit transparent, wie die Priorisierung der KI zustande gekommen ist. Zudem kann die Auswertung nun wöchentlich aktualisiert werden, sodass die Aufsichtspersonen schneller Trends in der Unfallentwicklung erkennen können. Entscheidend dabei: Die KI gibt lediglich Empfehlungen für Beratungsgespräche ab. Die Entscheidung darüber, welche Unternehmen letztlich kontaktiert werden, liegt weiterhin bei den Aufsichtspersonen.

Leuchtturmprojekt wendet KI-Leitlinien erstmals erfolgreich in der Praxis an

Als Teil des vom BMAS koordinierten „Netzwerk KI in der Arbeits- und Sozialverwaltung“ hat die BG BAU die „Selbstverpflichtenden Leitlinien für den KI-Einsatz in der behördlichen Praxis der Arbeits- und Sozialverwaltung“ mitentwickelt und im Leuchtturmprojekt erstmals erprobt. Mit Hilfe der Leitlinien wurde ein menschenzentrierter, sicherer und transparenter Prozess bei der Entwicklung und Einführung der KI-Lösung sichergestellt, bei dem beispielsweise die Aufsichtspersonen in allen relevanten Punkten von Anfang an einbezogen wurden. Die erfolgreiche Durchführung des Projekts wirkt im Sinne des Leuchtturmgedankens über die Grenzen des Vorhabens hinaus: Aktuell prüft die BG BAU weitere Anwendungsfälle für den Einsatz von KI in der eigenen Präventionsarbeit und steht darüber hinaus mit verschiedenen Behörden und Sozialversicherungsträgern im Austausch, um deren Ideen und Projekte zu unterstützen. Die Abteilung Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft im BMAS fördert das Leuchtturmprojekt, das im April 2024 von der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) für gute und innovative Praxis ausgezeichnet wurde und den Public Leadership Award 2024 in der Kategorie Leadership & Digitale Transformation auf dem Zukunftskongress erhalten hat, mit rund 3,5 Millionen Euro.